Möglichkeiten
der Grenzen der pädagogischen Förderung von Entwicklungsprozessen
aus systemischer Sicht
Grundannahmen
systemischer Therapie
Die systemische
Therapie betrachtet die Wechselbeziehungen zwischen Menschen. Deren
individuelle Eigenschaften „verflüssigen“ sich zu Elementen
eines dynamischen Geschehens. Durch ihre Verhaltensweisen tragen die
Mitglieder eines Systems zur Organisation bei. Diese und deren Folgen
werden durch textgebundene Etikettierungen und Zuschreibungen
ausgedrückt.
Es eröffnen
sich außerdem immer wieder neue Zusammenhänge. Der Versuch zu
beschreiben, wie sich Verhaltensweisen gegenseitig bedingen nennt
sich „Gestaltkreis“. Dieser Kreisprozess, in dem die Kette der
Ursachen und Folgen in sich zurück läuft, wird in Bezug auf das
Gestalt-Sein des Vorgangs gesetzt.
Die
Selbstreferenz dabei beschreibt, dass Annahmen und Verhaltensweisen
auf sich selbst zurück wirken. Deswegen sind einseitige
Schuldzuweisungen ausgeschlossen.
Weiterhin ist
menschliches Verhalten Regeln unterworfen. Die Einbeziehungen in den
Kontakt geben dem Verhalten einen Sinn.
Des Weiteren
gestaltet jeder Mensch seine Situationen selbst mit und ist nicht
Opfer der Umstände.
Durch die
Anwesenheit anderer Mitglieder in einem System werden die
Handlungsspielräume eingeschränkt. Außerdem können
Problemlösungsversuche das Problem auch aufrecht erhalten.
Systeme sind
jedoch geordnete Ganzheiten. Die systemische Therapie setzt sich
damit auseinander, welche Systeme Probleme haben und welche Personen
im System mit den Problemen zu tun haben.
Jugendkrisen
systemisch betrachtet
- Verbundenheit der Elemente, HolismusSysteme sind Ganzheiten, deswegen führt die Veränderung des Einzelnen auch zu einer Änderung des gesamten Systems
- Zielorientierung und ProzessProzesse finden dauerhaft statt. Dabei beschreibt die progressive Segregation den Schritt in Richtung Desintegration. Die progressive Systemintegration hingegen stellt den Schritt in die Richtung der Ganzheit dar
- RegulierungEin System hat auch selbstregulierende Prozesse. Die morphostatischen Kräfte sorgen für die Erhaltung des Gleichgewichts und die morphogenetischen Kräfte zeigen, dass durch Regeländerung Entwicklungen und Anpassungen folgen
- HomöostaseDieser begriff beschreibt ein Gleichgewicht, was jedoch nur ein kurzfristiger Zustand ist. In Systemen gibt es ein harmonisches Wechselspiel zwischen Gleichgewicht und Ungleichgewicht. Jeder Konflikt stellt dabei eine Chance dar.
- Kalibrierung und StufenfunktionSysteme entwickeln sich in Sprüngen. Es gibt inter- und außerfamiliäre Entwicklungen, die jeweils Herausforderungen mit sich bringen
- HierarchieSysteme sind in Subsysteme zerlegbar, die als einzelne Systeme betrachtet werden müssen.
- RegelnRegeln sind die Wege, mit denen ein System die Balance hält. Man unterscheidet offen/explizite und verdeckte/implizite (unbewusste) Regeln. Innerhalb eines Systems müssen sich die Mitglieder die impliziten Regeln bewusst machen
Helm Stierlin
Zwei
Prozesse/Kräfte in Familien
Nach der Theorie
von Helm Stierlin gibt es zwei verschiedene Prozesse oder Kräfte in
Familien. Diese nennt er zentripetal und zentrifugal.
Die zentripetale
Kraft bedeutet die Verstrickung, Bindung, Verwöhnung und
Verschmelzung eines Systems. Dabei kann sogar Individuation als
„Verrat“ angesehen werden. Dies kann eher psychosomatische
Störungen auslösen, wie zum Beispiel Magersucht als
„Lösungsversuch“.
Der zentrifugale
Prozess beschreibt die Ausstoßung, Vernachlässigung und Isolation,
die in einem System herrschen kann. Eine Konsequenz davon kann sein,
dass die Mitglieder die Familie frühzeitig verlassen. Durch
derartige Kräfte entstehen eher psychosoziale Störungen, wie zum
Beispiel die Jugendkriminalität. In diesem Fall wird Dissozialität
als „Lösungsversuch“ benutzt.
“Bezogene
Individuation“
Dieser Begriff
beschreibt die Selbstständigkeit und doch auch Zugehörigkeit in
„gesunden“ Familien. Die Kennzeichen dafür sind:
- die durchlässigen Grenzen der Familie nach außen
- die klaren und flexiblen Grenzen innerhalb der Familie,→ die je nach Alter verhandelbar sind
- die Offenheit für Neues und neue Familienmitglieder
Individuation
und Delegation
Die Jugendlichen
stehen zwischen Individuation, was die Ablösung vom Elternhaus
beschreibt, und Delegation (die Erfüllung elterlicher Wünsche und
Aufträge: Loyalität bis zur Selbstaufgabe).
Die
Individuation ist in verstrickten, rigiden und konfliktvermeidenden
Familien nur sehr schwer möglich. Sie wird als „Verrat“ oder
Illoyalität nach dem Motto: „Du enttäuscht uns“ gesehen. Ein
Ausweg kann für den Jugendlichen zum Beispiel die Magersucht sein.
So entsteht die Individuation durch die Selbstaufgabe statt durch
offenen Protest.
In ausstoßenden
Familien dagegen gibt es zu wenig Bindung, dass bedeutet, dass die
Jugendlichen unter Haltlosigkeit und Delinquenz leiden. Sie suchen
eventuelle alternativ Halt und Zugehörigkeit in Cliquen.
Verstrickte/verstrickende,
symbiotische Familie
In solchen
Familien werden die Mitglieder verwöhnt, indem sie eine zu reiche
Bedürfnisbefriedigung erfahren. Außerdem werden bindend wirkende
Zuschreibungen bestimmter Eigenschaften, wie Schwäche, Bosheit und
Verrücktheit gemacht.
In den Familien
gibt es keine klaren Generationsgrenzen, aber eine starre Abgrenzung
nach au0ßen („Wir lassen keinen rein!“). Es gibt überwiegend
Einstellungen, wie: „Wir sind immer alle füreinander da – Keiner
macht was für sich allein – Alle wissen immer alles voneinander –
Es gibt keine Geheimnisse, auch keine geschlossenen Türen“. In den
Familien steht die Meinung, dass jeder für das Wohl der anderen
verantwortlich ist, sich keiner alleine fühlen darf und es keinen
Egoismus geben darf, vor. Es herrscht eine generelle „Auf die Welt
draußen kann man sich nicht verlassen“- Moralität.
Demnach
fusioniert eine verstrickte/verstrickende oder symbiotische Familie
sehr stark.
Ausstoßende,
vernachlässigende oder losgelöste Familie (Überindividuation)
In diesen
Familien werden die einzelnen Mitglieder vernachlässigt. Dies
geschieht durch mangelnde Bedürfnisbefriedigung oder völliges
Desinteresse an Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen der anderen.
Jedes
Familienmitglied hat ein eigenes Zimmer und eventuelle sogar
getrennte Kassen. Außerdem unterscheiden sich die Freunde und
Interessen sehr stark, weshalb es keine oder kaum Überschneidungen
gibt. Generell kümmern sich die Familienmitglieder wenig umeinander.
Jeder muss selbst sehen, wie er zurecht kommt. Außerdem grenzen
sich die Familienmitglieder auch offen voneinander ab („Das ist ja
wohl meine Sache!“ / „Das geht dich gar nichts an!“ / „Mach,
was du willst, du bist alt genug!“ / „Ich hab keine Zeit oder
Lust für so etwas!“)
Dementsprechend
ist eine ausstoßende/vernachlässigende oder losgelöste Familie zu
stark isoliert.
Ambivalente
Familie
In einer
ambivalenten Familie gibt es häufig „Double-bind“-Aufträge. Das
bedeutet, dass die Eltern widersprüchliche Aufträge geben, was zu
Verwirrung führt.
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