Pädagogisches
Denken und Handeln auf der Grundlage des Modells der kognitiven
Entwicklung von Jean Piaget
- Grundbegriffe der TheorieLernen und Entwicklung entstehen dadurch, dass das innere Gleichgewicht des Kindes gestört wird und es dieses wiederherstellen muss.Indem es in seiner Umwelt Erfahrungen macht, entsteht ein kognitiver Konflikt. Die Äquilibration beschreibt dabei das Wechselspiel zwischen Assimilation und Akkomodation, welches Lernen und Entwicklung ermöglicht und zunehmend komplexer wird.Die Adaption stellt die Balance zwischen Assimilation und Akkomodation dar. Assimilation bedeutet, dass das Kind sich seiner Umwelt vollständig annimmt und die Erfahrungen in vorhandene Denk- und Handlungsmuster aufnimmt. Bei der Akkomodation werden vertraute Denk- und Handlungsmuster verändert, um einem Objekt gerecht zu werden. Adaption beschreibt also die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Denkstrukturen und Umwelt.Die dadurch entstehenden Schemata und Strukturen entwickelt das Kind selbst und erreicht anschließend die nächste Stufe.Piaget bezeichnet seine Theorie als einen epigenetischen Prozess, weil die Entwicklung nur aus dem Menschen selbst heraus entstehen kann. Piaget geht von einem genetisch angelegtem Streben nach Weiterentwicklung aus.
- Die Stufenlehre nach Jean PiagetJean Piaget unterscheidet die intellektuelle Entwicklung des Kindes in vier Hauptstufen.Die Altersangaben dienen dabei nur als Annäherungswert, da die Übergänge zwischen den Phasen fließend sind.
- Die sensomotorische Stufe (0-2 Jahre)In dieser Phase lernt das Kind vor allem über Sinneserfahrungen und Bewegungen.Zunächst kann es sich selbst noch nicht getrennt von den Objekten seiner Umwelt wahrnehmen, erlernt dieses jedoch.Außerdem beginnt es sich der Stimulation durch Licht und Geräusche zuzuwenden und fängt an den Versuch zu unternehmen, interessante Erfahrungen auszudehnen. Es entdeckt, dass es Objekte durch Manipulation bestimmen kann. Die Kinder erkennen ebenfalls, dass sich ein Objekt auch ohne eigene Bewegung bewegen kann und beobachten dies.
- Die präoperationale Stufe (3-5 Jahre)In dieser zeit benutzt das Kind eifrig seine neu erlernte Sprache und beginnt aktiv zu denken. Es entwickelt seine eigenen Konzepte, die jedoch an der Realität überprüft werden müssen.Weiterhin neigt das Kind in dieser Stufe zu animiertem und magischem Denken. Es stellt sich Dinge vor und passt so die Wirklichkeit seinen Wünschen und Vorstellungen an. So werden zum Beispiel aus Stühlen Pferde oder Rennautos.Das Kind ist noch sehr selbstbezogen und ist nicht in der Lage den Stadtpunkt eines anderen Menschen einzunehmen.Mittlerweile ist es dem Kind aber möglich Objekte anhand eines deutlichen Merkmals zu klassifizieren. Es erkennt jedoch nicht, ob die Objekte sich in einem anderen Merkmal unterscheiden. Somit kann das Kind Objekte nach einem bestimmten Kriterium ordnen. Außerdem ist es in der Lage Dinge in eine Reihenfolge zu bringen. Es kann aus dieser Reihenfolge aber noch keine Schlussfolgerungen ziehen.
Beispiel: Das Kind an Bilder sagen, dass Hans größer als Jakob ist und an anderen Bilder, dass Jakob größer als Fritz ist. Dem Kind wäre es aber nicht möglich zu sagen, ob Fritz größer oder kleiner ist als Hans, ohne die Bilder zu sehen.die intuitive Stufe (5-8 Jahre)In diesem Alter ist das Kind fähig Schlussfolgerungen zu ziehen. Dabei geht es zunächst noch von vagen Eindrücken und Beurteilungen aus, die sich eng an die Wahrnehmungen anlehnen und noch nicht in Worte gefasst werden können.Diese Schlussfolgerungen bilden die Grundlage für ein logisches und rationales Verständnis.Nun kann das Kind Klassen und Kategorien von Objekten bilden, ist sich dieser jedoch noch nicht bewusst. Außerdem kann das Kind mittlerweile logische Beziehungen mit zunehmender Komplexität verstehen und mit Zahlenbegriffen arbeiten. Das Kind eignet sich das Prinzip der Erhaltung der Masse und des Volumens an. Bis dieses vollständig beherrscht wird, dauert es aber noch ein bis zwei Jahre. - Stufe der konkreten Operationen (8-12 Jahre)In den folgenden Jahren entwickelt das Kind die Fähigkeit verschiedene logische Operationen mit konkreten Dingen durchzuführen. Es ist in der Lage Absichten und Handlungen von sich selbst und anderen zu hinterfragen. Das Kind reflektiert und kann sich in andere hineinversetzen.Dadurch, dass das Kind mit Klassifikationssystemen umzugehen lernt, erlangt es gleichzeitig die Fähigkeit komplexe logische Denkabläufe zu bewältigen. Dabei gibt es drei verschiedene Möglichkeiten:a. Komposition: zwei Elemente eines System können kombiniertwerdenb. Austauschbarkeit: die Summe ist unabhängig von derReihenfolgec. Reversibilität: Dinge in Systemen können voneinandersubtrahiert werdenDiese Fähigkeit ist aber beschränkt, da sie noch von konkreten Darstellungen abhängig ist, um mit Denkabläufen verknüpft werden zu können. Auch sieben- bis 12-Jährige haben noch Probleme mit hochabstrakten Denkabläufen.
- Stufe der formalen Operationen (13 - †)Abschließend wird die Fähigkeit erworben, abstrakt logisch zu denken. Das Kind/der Jugendliche kann nun durchdenken, was möglich ist und was gerade passiert bzw. passieren könnte.Außerdem ist wissenschaftliches Denken möglich. Das Kind ist in der Lage Schlüsse zu ziehen, Interpretationen vorzuschlagen und Hypothesen zu entwickeln.Das Denken ist somit flexibel und wirkungsvoll geworden.Es ist dem Kind möglich, sich alle logischen Möglichkeiten zu erarbeiten. Es ist nicht länger gezwungen, sich auf das festzulegen, was gegeben ist, sondern kann logische Alternativen suchen. Weiterhin kann es eine Kombinationsanalyse von Möglichkeiten durchführen, in logischen Sätzen denken bzw. diese aufstellen und kombinieren sowie generalisieren.
- Spiel und NachahmungSpiel und Nachahmung sind wichtige Bestandteile der kognitiven Entwicklung nach Piaget.Beim Spielen greift das Kind Gelerntes und Erfahrungen wieder auf und kann so sein Verhalten verbessern und erweitern. Das Spiel besteht daher weitestgehend aus Assimilation.Die Nachahmung bildet die Möglichkeit Neues zu lernen. Oft imitieren Kinder verhalten, ohne den Sinn dahinter vollständig zu verstehen. Die Nachahmung ist daher eher von der Akkomodation geprägt.Grundsätzlich ändern sich die Formen der Nachahmung und des Spiels mit zunehmendem Alter und Entwicklungsstufe.In jungen Jahren imitieren die Kinder ihre Eltern noch sehr genau, während sie später ein generalisiertes Abbild nachahmen.Auch ist das Spiel in der frühen Kindheit vor allem frei und bedürfnisorientiert. Später wird es zu einem Spiel nach Regeln.
- Kritische WürdigungDer Pädagoge Guy Claxton kritisiert Piagets Modell darin, dass intuitives Wissen das ganze Leben lang Bedeutung hat (nicht nur in der ersten zwei Jahren). Für ihn macht Piagte die Kinder zu „Welterklärern“, die sich nicht mehr auf ihre Intuitionen und Sinne verlassen.Zimbardo merkt an, dass Piaget die kognitiven Fähigkeiten des Kindes unterschätzt haben könnte. Er war in seinen Versuchen technisch eingeschränkt und hatte nur einfache Beobachtungsmethoden. Des Weiteren verließ sich Piaget ausschließlich auf die Beschreibungen der Kinder. Zimbardo kritisiert, dass Kinder auch etwas verstehen können, jedoch nicht in der Lage sind, es zu erklären. Ein weiterer Punkt ist, dass Piaget die Aufgaben für die Kinder verkomplizierte, da sie sich auf mehrere Dinge konzentrieren mussten. Dabei wurden, laut Zimbardo, Realität von regeln und Begriffen gegen den Augenschein ausgespielt.Piagets Theorie hat auch weiterhin Bedeutung. Sein Modell legt dar, dass das Kind nur selbstständig kognitiv lernen kann. Die Pädagogik kann dies nicht übernehmen. Die Aufgabe von Erziehung liegt daher darin, dass Kind zu unterstützen und zu fördern oder es ggf. aufzufordern. Entwicklung ist jedoch nicht pädagogisch planbar, allerdings kann „sinnvolles Lernen“ unterstützt werden. Kinder dürfen jedoch niemals über- oder unterfordert werden.Zusammenfassen lässt sich sagen, dass Piagets Modell ein besseres Verständnis der kognitiven Entwicklung des Kindes ermöglicht. Es verdeutlicht, was in welchem Alter vom Kind erwartet werden kann und muss und erklärt, wieso manche Aspekte noch nicht verstanden werden (können).
Haben Sie auch Quellenangaben?
AntwortenLöschenLg Veronika