Montag, 5. Mai 2014

Erikson und Hurrelmann - Jugend

Erik Erikson und Klaus Hurrelmann – Pädagogisches Denken und Handeln zur Entwicklung im Jugend- und Erwachsenenalter

Eriksons Entwicklungsmodell im Blick auf das Jugendalter
Für Erikson sind einige Faktoren ausschlaggebend für eine dauerhafte Ich-Identität. Das Kind muss in der oralen Phase (Freud) Vertrauen gefasst haben und das Erwachsensein als ein Versprechen der Erfüllung erleben. Außerdem sollte es auf jeder Stufe einen Zuwachs an Ich-Stärke erlangt haben.


In der Phase der Adoleszenz müssen die Jugendlichen die Krise zwischen Identitätsbildung und Identitätsdiffusion lösen.
Die Bewältigung der Krise bewirkt dann, dass der Jugendliche eine eigene Identität und ein stabiles (kohärentes) Selbstbild ausgebildet hat, obwohl es zu Verwirrungen durch die verschiedenen Rollenübernahmen und physischen Veränderungen in der Pubertät kommt. Bewältigt der Jugendliche die Krise nicht ausreichend, entsteht ein Selbstbild ohne stabilen Kern.
Die Formulierung „Freunde prägen Freunde“ (Schaubild) stellt das, dass Jugendliche über die Interaktion mit Gleichaltrigen die soziale Komponente ihrer Identität definieren. Daraus entwickeln sich Antworten auf die Fragen: Welcher Typ Mensch bin ich? Welche Beziehungen will ich pflegen?.
In der Phase der Adoleszenz herrscht außerdem ein erhöhtes Konfliktpotenzial zwischen dem Jugendlichen und seinen Eltern. Die Eltern wollen ihr Kind vor schädlichen Einstellungen oder Verhaltensweisen schützen, wobei die Jugendlichen immer mehr Werte und Verhaltensweisen der Freunde übernehmen.
Während der Pubertät werden dann alle Identifizierungen und Sicherungen des Jugendlichen erneut in Frage gestellt , weil der rasche Körperwachstum und die physische Geschlechtsreife den Jugendlichen verunsichert. Er will seine sozialen Rollen festigen und vergleicht deswegen sein Selbstgefühl mit dem Bild der Anderen. Aus diesem Grund muss der Jugendliche eventuell die Kämpfe und Krisen der früheren Phasen noch einmal bewältigen.
Die Integration des Jugendlichen ist mehr als die Summe der Kindheitsidentifikationen. Es stellt das innere Kapital und damit die gesammelten Erfahrungen des Jugendlichen dar. Durch die erfolgreiche Identifikation wird es möglich, dass der Jugendliche seine Grundtriebe erfolgreich auf seine Begabungen und Chancen ausrichtet. Dadurch kommt es zu einer Ich-Synthese. Die Werte des Ichs münden in die Ich-Identität.
Das Gefühl der Ich-Identität beschreibt dann das Vertrauen darauf, die innere Einheitlichkeit dauerhaft halten zu können. Dieses Vertrauen wird auch dadurch gefördert, dass andere einem diese Fähigkeit zutrauen.
Am Ende jeder Hauptkrise sollte der Jugendliche ein bestätigtes Selbstgefühl haben, welches ihm eine erreichbare Zukunft und eine Entwicklung zu einer bestimmten Persönlichkeit offenbart. Mit jedem Schritt auf den Entwicklungsstufen muss der Jugendliche ein belebendes Realitätsgefühl entwickeln und so zu der Überzeugung kommen, dass der eigene und individuelle Weg erfolgreich ist.
Der Jugendliche braucht ernsthafte Anerkennung seines Umfelds und kann seine Ich-Identität dadurch stärken. Wenn die Umgebung dem Jugendlichen seine Ausdrucksmittel raubt, wird er sie verteidigen. Das Lebensgefühl des Jugendlichen wird nur durch das Gefühl der Ich-Identität vermittelt. Der Jugendliche sucht nach einem Gefühl der Zugehörigkeit (z.B. in Cliquen, Banden, Massenbewegungen).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ich-Identität die gestufte Integration aller Identifikationen aus der Kindheit ist. Manche Kinder erhalten den Kern ihrer Identität schon sehr früh und verteidigen ihn dann. Die Krisen der Kindheit und deren Phasen werden durch die Ich-Identität verknüpft.

Zusammenfassung: die Adoleszenz (13. - 20. Lebensjahr)
Um die Krise der Adoleszenz bewältigen zu können, sind Elemente aus den vorherigen Phasen notwendig: Vertrauen, Autonomie, Initiative und Fleiß. Der Körper und die Umwelt verändern sich und der Jugendliche macht sich eigenständig auf die Suche nach seiner Identität.
Die Identität sollte auf der Grundlage neuer sozialer Rollen gefunden werden. Die Gesellschaft stellt Forderungen an den Jugendlichen, die er erfüllen muss (Anpassungsleistungen). Sie gewährt ihm aber auch ein psychosoziales Moratorium (Aufschub), damit der Jugendliche seinen Platz in der Gesellschaft finden kann. Der Jugendliche setzt sich außerdem mit seinen Bezugspersonen und der Gleichaltrigengruppe, sowie dem anderen Geschlecht und seiner Rolle im Beruf, auseinander und stellt dies in Frage.
Wichtig für die Identitätsbildung ist auch die Anerkennung durch die Gesellschaft. Wird der Jugendliche abgelehnt, wird der Prozess gestört, unterbrochen oder verzögert. In dieser Phase haben die Peers (Gleichaltrigen) die bedeutendste Rolle. Innerhalb einer Gruppe gibt es strenge Regeln, die eingehalten werden müssen. Außerdem entwickeln die Jugendlichen ein Gefühl der Intoleranz gegenüber anderen Gruppen, weil sie das Gefühl der Identitätsverwirrung abwehren wollen.
Aus der beschleunigten körperlichen Entwicklung folgt die Frage „Wer bin ich?“. Die Antwort darauf entsteht, indem der Jugendliche seine bisher gesammelten Erfahrungen aus den bewältigten Krisen zu einer Ich-Identität zusammenfügt. Voraussetzung für eine gute Identitätsbildung ist, dass der Jugendliche möglichst viele positive Erfahrungen gemacht hat und deswegen über ein gesundes Selbstvertrauen verfügt. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer Identitätsdiffusion und eine Ich-Identität ohne stabilen Kern entsteht. Solche Jugendliche schließen sich gern Gruppen mit klaren Strukturen an.

Das sozialisationstheoretische Konzept des produktiv verarbeitenden Subjekts nach Hurrelmann
Für Hurrelmann entsteht die Persönlichkeitsentwicklung durch ein Verhältnis und Zusammenspiel von äußerer und innerer Realität.


Der Ansatz
Ziel der Persönlichkeitsentwicklung ist die Entwicklung zu einem gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekt. Dazu wird die Differenz zwischen äußerer und innerer Realität verarbeitet. Das Subjekt reflektiert sich selbst in einem Prozess aus endogenen und exogenen Impulsen. Die Wechselwirkung zwischen Umwelt und Individuum (Person-Umwelt-Beziehung) hat Auswirkungen. Die Umwelt verändert sich ständig und beeinflusst so die Aktivitäten der Anderen. Deswegen ist eine ständige Abstimmung zwischen den Umweltanforderungen und den eigenen Interessen notwendig. Das Subjekt muss sich produktiv mit der sozialen und dinglich-materiellen Umwelt auseinandersetzen.
Für Hurrelmann sind die Individuation und die Integration eng miteinander verbunden. Die Persönlichkeit ist ein spezifisches Gefüge von Merkmalen, Eigenschaften, Einstellungen, Fertigkeiten und Handlungskonzepten, die auf der Grundlage einer biologischen und psychischen Ausstattung durch bewältigte Aufgaben entstehen. Die Persönlichkeitsentwicklung ist eine sequenzenhafte und langfristige Veränderung dieses Gefüges . Die soziale Integration wiederum ist die Anpassung an die gesellschaftlichen Werte und Normen und Verhaltensstandards.
Die Individuation ist subjektiv und stellt den Aufbau einer individuellen Persönlichkeitsstruktur dar, die individuelle kognitive, motivationale, sprachliche, moralische und soziale Merkmale und Kompetenzen miteinbezieht.
Der Übergang in das Erwachsenenalter ist dann erfolgreich, wenn alle Entwicklungsaufgaben gelöst sind und die psychosomatischen Veränderungen und der Prozess der inneren Ablösung (von den Eltern) abgeschlossen ist. Dann hat der Jugendliche die Krise der Adoleszenz bewältigt.
Der Kernkonflikt des Jugendalters ist die Gewinnung der Identität. Während dieser Phase muss der Mensch in seinem Lebenslauf (nach Hurrelmann) verschieden Entwicklungsaufgaben meistern.

  1. Entwicklung von einer intellektuellen und sozialen Kompetenz
    Der Jugendliche erlangt schulische und berufliche Qualifikationen und findet einer Erwerbsarbeit. So ist eine Basis für eine selbstständige Existenz als Erwachsener gesichert.
  2. Entwicklung einer eigenen Geschlechterrolle und des sozialen Bindeverhaltens zu Gleichaltrigen des eigenen und anderen Geschlechts
    Durch den Aufbau einer heterosexuellen Partnerbeziehung sichert sich der Jugendliche eine Basis für die Erziehung der eigenen Kinder.
  3. Entwicklung eines Normen- und Wertesystems
    Der Jugendliche muss ein politisches und ethisches Bewusstsein entwickeln, welches einmal in Übereinstimmung zu seinem eigenen Verhalten steht und auch die Grundlage für verantwortliches Verhalten in diesem Bereich darstellt.
  4. Entwicklung von eigenen Handlungsmustern für die Nutzung des Konsumwarenmarktes und des kulturellen Freizeitmarktes
    Der Jugendliche muss den Umgang mit Medien, Genussmitteln und anderen Aspekten der Konsumgesellschaft lernen. Das Ziel dabei ist, einen eigenen Lebensstil und einen selbstständig gesteuerten Umgang mit den Angeboten zu entwickeln, welcher an den Bedürfnissen orientiert ist.

Die Maximen nach Hurrelmann
Im Unterricht haben wir in Gruppenarbeit die Maximen nach Hurrelmann durch Schaubilder dargestellt.

Die erste Maxime:

Die zweite Maxime:
Die Entwicklungsaufgabe dieser Maxime ist die Verarbeitung der inneren und äußeren Anforderungen, die ein Jugendlicher bei der Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen zu erfüllen hat. 
Das Ziel dabei ist die Entwicklung von Formen und Strategien der Selbstorganisation, die als Muster für die Lebensführung gelten können.

Die dritte Maxime:

Die Vierte Maxime:
In der vierten Maxime befinden sich die Jugendlichen im Aufbau ihrer sozialen und personalen Identität. Sie sollen ein stabiles und schlüssiges Selbstbild herstellen.

Die fünfte Maxime:
Diese Maxime zeigt die krisenhaften formen der Sozialisation im Jugendalter.
Immer mehr Jugendliche sind mit der komplexen Kombination der Entwicklungsaufgaben überfordert. Sie verfügen über keine personalen oder sozialen Ressourcen für einen erfolgreichen Bewältigungsprozess.
Diese Entwicklungsstörungen sind die Folge der selbst gesteuerten Lebensführung der Jugendlichen und die damit verbundene Chance zur individuellen Gestaltung.

Die sechste Maxime:
Die Entwicklungsaufgabe dieser Maxime ist das Spannungsverhältnis zwischen den Individuations- und Integrationsanforderungen abzuarbeiten. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Jugendlichen individuelle Bewältigungsfähigkeiten (personale Ressourcen) und die Unterstützung durch wichtige Bezugsgruppen (soziale Ressourcen) haben.
Die Problematik dahinter ist, dass es Widersprüche von körperlicher und psychischer Entwicklung und den Erwartungen der Umwelt an den Jugendlichen gibt. Die komplexen Vorgaben und Erwartungen sind teilweise widersprüchlich oder nicht eindeutig und erschweren so die permanente Neuorganisation der Persönlichkeitsstruktur. Die Jugendlichen müssen sich wegen der Komplexität die Erwartungen und Vorgaben der Umwelt durch eigenaktives Verhalten selbst erschließen.

Die siebte Maxime:

Die achte Maxime:

Die neunte Maxime:
Die neunte Maxime bezieht sich auf die Spaltung der Jugend. Die Gründe dafür sind der schnelle soziale Wandel, die soziale und ethnische Vielfalt und die stärkeren ökonomischen Ungleichheiten.


Die zehnte Maxime:

Die zehnte Maxime zeigt, dass sich die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zu Gunsten der Frauen verschieben.

Die Entwicklungs- und Sozialisationsprobleme
Eigentlich haben die Jugendlichen in der ersten Welt günstige Lebensbedingungen. Ihnen steht eine üppige Materialausstattung und große Spielräume für die Selbstentfaltung zur Verfügung.
Die „Nebenwirkungen“ der modernen Lebensweise sind jedoch unter anderem, dass die psychischen Krankheiten und Auffälligkeiten bei Jugendlichen zunehmen, obwohl es höhere Lebensstandards, ein besseres Bildungswesen, gute medizinische und psychologische Beratung und Hilfe gibt.
Die Fähigkeiten des Jugendlichen reichen nicht, um die Umweltanforderungen bzw. den Entwicklungsdruck zu bewältigen. Dies führt zu Beeinträchtigungen von Körper und Seele. Die Folge sind Anspannung, Konflikte in Familie, Schule und Freizeit. Ein weiterer Effekt ist, dass das Suchtverhalten bei Jugendlichen zunimmt. Zigaretten und Alkohol dienen als Tröster, die gravierende Langzeitfolgen haben.
Das Streben nach Salutogenese, also die Entwicklung der Gesundheit, wird vernachlässigt, weil der Entwicklungsdruck zu groß ist.
Die Ursachen dafür sind das Zusammenwirken von genetischen Anlagen und sozialer und psychischer Überlastung. Dies ist ein Signal für Stress und die Überstrapazierung der Fertig- und Fähigkeiten. Die „Kosten der modernen Lebensweise“ sind die Probleme der Jugendlichen, die nicht ein ausreichendes Ausmaß an Würde, Achtung und freier Persönlichkeitsentfaltung bekommen, die aber notwendig für eine gesunde Entwicklung ist, weil Jugendliche ein Bedürfnis nach Anerkennung, Zuwendung, Sicherheit und Sinnerfüllung haben. Die Schlüsselrolle dafür, stellt das Zusammenleben in der Familie dar. Eltern werden ihrer Rolle und Verantwortung nicht gerecht. Die Eltern-Kind-Beziehung wird instabiler und die Jugendlichen müssen zusätzlich eventuell noch Trennungen bewältigen.
Der Hintergrund zu dieser Entwicklung ist, dass Erwachsene zu sehr nach ihrem persönlichen Glück und der Selbsterfüllung streben. In Trennungen und Beziehungsverlust leiden die Kinder am meisten. Außerdem setzen die sozialen und psychischen Anspannungen in der Schule die Kinder weiter unter Druck. Sie müssen mechanischen Leistungsforderungen gerecht werden, wobei die Unterrichtsinhalte nicht den Interessen der Kinder entsprechen. Außerdem fungiert Schule fast nur noch ausschließlich als Einrichtung der Wissensvermittlung. Die Eltern erwarten gute Noten, was zusätzlichen Druck und Stresserkrankungen auslöst.
Die Jugendlichen stürzen in Sinn- und Orientierungskrisen. Eigentlich sind sie verwirrt und überfordert, geben sich aber cool und beherrscht. Es ist ihnen nicht mehr möglich objektive Zukunftspläne oder Aussichten zu machen, was zum Beispiel Beruf, Familie oder Ziele angeht. Deswegen improvisieren sie, denken permanent um oder fangen ständig neu an. Sie schieben die Entscheidung durch lange Ausbildungen oder Zusatzqualifikationen hinaus.
In den extremsten Fällen kommt es so zu einer Demoralisierung, weil der Jugendliche nicht genug Widerstandskraft (Resilienz) hat. Er kommt nicht mit der spannungsreichen, Reiz überfluteten Lebenswelt zurecht. Ihm fehlen moralische, religiöse und politische Orientierungen und Werte, die sinngebend und identitätsstiftend für das eigene Leben wären. Die Folge davon ist ein verunsichertes Selbstbild und Selbstwertgefühl.

Wann ist Sozialisation erfolgreich?
Die Grundlage für eine erfolgreiche Sozialisation ist ein aktives und flexibles bemühen des Individuums Schwierigkeiten zu bewältigen. Eine Voraussetzung für eine gelungene Sozialisation ist eine möglichst große Resilienz (Widerstandskraft), auf deren Basis viele verschiedene Bewältigungsstrategien entwickelt werden können. Variationsreichtum führt zu einer guten Selbstkontrolle, einer sozialen Aufgeschlossenheit und der Bereitschaft sich unterstützen zu lassen (praktisch und emotional). Die Gesundheit (Salutogenese) bezeichnet den Einklang zwischen körperlicher und sozialer Entwicklung mit den Voraussetzungen und Bedingungen des einzelnen Individuums. Diese Symbiose und die reflexive Auseinandersetzung mit den Selbst gewährleistet eine gelungene Sozialisation.

Zwischen Moratorium und Transition
Das folgende Schaubild zeigt eine Kombination von Konzepten im Übergang zum Erwachsenenalter.
Das Moratorium bezeichnet den Rückzug in den Schonraum der Jugendphase. Der Jugendliche schirmt sich vor der gesellschaftlichen Verantwortung ab und nimmt sich eine Auszeit.
Die Transition beschreibt einen raschen Übergang in den Erwachsenenstatus. Der Jugendliche orientiert sich Standards von mittleren und älteren Generationen.


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